Ein antisemitischer Doppelmord
Trotzdem wurde der Doppelmord, wie Jensen anhand von Ermittlungsakten und Medienberichterstattung zeigt, weder von der Polizei noch der breiten Öffentlichkeit als antisemitische Tat gedeutet. Auch im Prozess gegen den Chef der WSG, der wegen Mittäterschaft angeklagt, aber freigesprochen wurde, spielte Antisemitismus nur eine untergeordnete Rolle. Als alleiniger Täter gilt der Justiz ein im Libanon verstorbenes WSG-Mitglied. Indizien lassen aber vermuten, dass Hoffmanns Tatbeitrag größer war, als die von ihm selbst eingeräumte Hilfe beim Spurenverwischen und der Flucht des Täters. Jensens Buch ist nicht die erste Rekonstruktion des Doppelmords. So hat Ulrich Chaussy, ausgehend von seinen Recherchen zum Oktoberfestattentat, die Verbindungen zur WSG ausführlich dargestellt, und Ronen Steinke hat in seinem hervorragenden Buch „Terror gegen Juden“ gezeigt, wie sich die vorurteilsgeprägten Ermittlungen auf die Biografie des Opfers Lewin konzentrierten. Die Lektüre von Jensens Werk lohnt aber nicht nur, weil es gut erzählt ist. Aufschlussreich sind auch die Einordnungen zum damaligen gesellschaftlichen Umgang mit Antisemitismus, die Gedanken zur Rechtsterrorismus-Diskussion sowie die Kapitel zur Kooperation der WSG mit den militanten Palästinenser*innen der PLO. Fazit: lesenswert.
Uffa Jensen Ein antisemitischer Doppelmord. Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Suhrkamp Verlag, Berlin 2022 316 Seiten, 24 Euro