Materialistische Europakritik

Wir haben es zu Genüge gelesen: Die Rechte ist in Europa im Aufwind und die Demokratie in Gefahr. Doch wessen Demokratie? In den bürgerlichen Feuilletons wird uns suggeriert, es gäbe nur die Alternative zwischen protektionistischem Nationalismus und mehr EU. Doch mindestens 30 Prozent der Bevölkerung finden überhaupt keine Berücksichtigung bei Entscheidungen der EU, die ein Projekt des Kapitalismus‘ und der Reichen ist.

Das viel beschworene Demokratieproblem ist ein Defizit der EU und ihrer Verfasstheit. Man muss also nicht Nationalist und/oder BSW-Mitglied sein, um die EU zu kritisieren. Daniel Keil, Mitglied des Arbeitskreises kritische Europaforschung in der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkE/AkG) und Autor eines Buches zur Europakritik, zeigt mit seiner komprimierten und fein gegliederten Studie, dass es durchaus auch eine emanzipative, „materialistische“ EU-Kritik geben kann. Die Recht(sextrem)en hingegen verstärken eine autoritäre, unsolidarische Politik, gegen die es kein Zurück zum angeblich heilen Nationalstaat geben kann und darf: „Die neoliberale Konstitution der EU und die Faschisierungsprozesse in Europa sind große Herausforderungen für linke Kritik, die nicht aus einer nationalistischen Position heraus bewältigt werden können.“ Bei der linken EU-Kritik führen die Standard-Alternativen in die Irre. Statt einem „Zurück zur Nation!“ versus einem „Weiter so!“ in der EU geht es um ein anderes, wirklich solidarisches Europa.

Keil, Daniel: Materialistische Europakritik. Elemente kritischer Europaforschung, Schmetterling Verlag 2024, 224 Seiten, 16,80 Euro.

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