Artikel von Alexander Czepinski

  • Damian Lohr (1.v.l.) und Sebastian Münzenmai-er (2.v.l.) auf dem Weg zum AfD Landespartei-tag. Mit dabei Alexander Jungbluth (1.v.r.).
    Screenshot von „X“ (10. Oktober 2024)
  • 29.07.2024

    Alexander Czepinski

    Nur in den Farben getrennt

    Die Zahl der dokumentierten extrem rechten Konzerte und Liederabende bewegt sich jährlich recht überschaubar im einstelligen Bereich, zumal größere Konzerte seit zirka 2013 meist im benachbarten Elsass/Lothringen über die Bühne gehen und wenigstens in offiziellen Zählungen nicht auftauchen. So meint etwa der Landesverfassungsschutz mit mehr oder weniger gleichen Worten Jahr für Jahr verkünden zu können, dass RLP im Ländervergleich „seit Jahren einen hinteren Platz“ einnehme. Mit der Chaos Crew (CC) in der Region Wittlich und dem Aktionsbüro Mittelrhein zogen sich nach 2010 zwei zentrale Strukturen, die bis dahin noch für einen Großteil an RechtsRock-Aktivitäten im Land verantwortlich zeichneten, (mehr oder weniger) freiwillig zurück. An Malte Redekers Label Gjallarhorn Klangschmiede (GKS) in Schifferstadt hatte man sich in RLP, von wenigen regionalen Antifa-Strukturen abgesehen, offenbar ebenso gewöhnt wie an Philipp „Phil“ Neumann, der vor seinem Wegzug aus Ahrweiler im Dezember 2023 als Flak solo und mit der Band Flak einer der aktivsten und bekanntesten RechtsRock-Musiker des Landes war. Die insgesamt scheinbare Beschaulichkeit in Sachen RechtsRock dürfte erheblichen Anteil daran haben, dass durchaus kritische Entwicklungen jüngerer Zeit in RLP offenbar von vielen „übersehen“ wurden. RechtsRock-Markt RLP So unspektakulär die Konzertaktivitäten in RLP aus der Außenperspektive womöglich scheinen mögen: Sich bei der Einschätzung eines Bundeslands ausschließlich auf Konzerte, Liederabende, Bands und Musiker*innen zu verlassen, greift grundsätzlich zu kurz und blendet andere zentrale Akteure, die sich als extrem rechter Musikmarkt (Geld ist immer noch eine der zentralsten Funktionen von RechtsRock) begreifen lassen, fahrlässig aus: Veranstalter, Versände und Labels. Obwohl es im RechtsRock keine eigentliche „Konzertagentur“ wie im regulären Musikbusiness gibt, erfüllen einige extrem rechte Kader durchaus die Funktion „Veranstalter“. Sascha Wagner (Südwestpfalz) organisiert immer noch regelmäßig Liederabende von der Südpfalz bis in den Raum Trier, Christian Hehl war bis zu seinem Tod 2022 der maßgebliche Veranstalter von Liederabenden im Rhein-Neckar-Raum und auch Organisationen wie Die Rechte Südwest (bis Oktober 2023 als Kameradschaft Rheinhessen) oder der Nationale Widerstand Zweibrücken treten als Veranstalter regionaler Musiker wie dem Liedermacher Renitenz (Daniel Strunk, Hunsrück) oder der Band Mjöllnir um Patrick Lohr (Rheinhessen) in Erscheinung. Labels, Versände und Firmengeflechte Aber auch Labelbetreiber wie Malte Redeker oder Gregor Alexander Michels übernehmen immer wieder mal die Organisation von Konzerten (Redeker mehrheitlich in Elsass/Lothringen, Michels in Eifel und Westerwald) und spätestens der genauere Blick auf die drei aktuell in RLP aktiven RechtsRock-Label bzw. Versände dürfte klarmachen, dass es im Land längst nicht so beschaulich zugeht, wie manche allzu gerne glauben. Mit der Gjallarhorn Klangschmiede (GKS) in Schifferstadt betreibt Malte Redeker seit 2003 das bekannteste RechtsRock-Label aus RLP, wobei dessen Bekanntheitsgrad wohl maßgeblich damit zusammenhängt, dass Redeker seit vielen Jahren eine Führungsposition in der Hierarchie der europäischen Hammerskin Nation (HSN) inne hat. Weit weniger bekannt ist jedoch dessen Firmengeflecht: Kaum überraschend gab es bei Redeker (wie auch bei Philipp Neumann) im Zuge des bundesweiten Verbots der HSN im Oktober 2023 eine groß angelegte Hausdurchsuchung, die zumindest seine Versandaktivitäten nach eigener Aussage für einige Monate massiv beeinträchtigt hat. Es ist jedoch bemerkenswert, dass es bei Redekers „Geschäftspartner“ Nils Budig (Nordthüringen) in diesem Zusammenhang keine Razzia gab, muss Budig doch als Redekers „Strohmann“ gelten. Offiziell sind das Label Frontmusik und die Firma Küsten Textil UG zwar auf Budigs Namen registriert, interne Dokumente belegen jedoch einerseits, dass Redeker bei der Küsten Textil UG mindestens bis 2018 angestellt war (Stichwort: Sozialversicherung), andererseits leitet die URL frontmusik.de weiterhin auf gjallarhorn-klangschmiede.com um. Dass Budig gegenüber Redeker in irgendeiner Weise „vorgesetzt“ sein könnte, ist angesichts der streng hierarchischen Struktur der HSN nur schwer vorstellbar. „One Eight-Musik“, Michels und Heise Redeker ist freilich nicht der einzige RechtsRock-Unternehmer, der über den kontinuierlichen Aufbau eines immer unüberschaubarer werdenden Firmengeflechts über mehrere Bundesländer offenbar versucht, den je zuständigen Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, vor allem jedoch den verschiedenen Finanzaufsichtsbehörden, die Verfolgungsarbeit massiv zu erschweren. Ähnlich undurchschaubar verhält es sich mit One Eight-Musik, wobei hier mit Gregor Alexander Michels ein neuer (alter) Akteur auf dem RechtsRock-Markt RLP ins Spiel kommt. Michels war in den 2000er Jahren eine der zentralen Figuren der Chaos Crew und wurde, nachdem Mitglieder der CC einen Aussteiger in einen Hinterhalt gelockt und brutalst zusammengeschlagen hatten, zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die CC zog sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurück und Michels siedelte nach seiner Haftentlassung nach Mecklenburg-Vorpommern über. Spätestens im Sommer 2022 ist er dann aber wieder nach RLP gezogen und hat in Höchstberg (Landkreis Vulkaneifel) den Versand sowie das Label One Eight-Musik eröffnet. Bevor die offizielle Homepage des Labels im Herbst 2023, vermutlich wegen der endlich breiteren Berichterstattung in der Region, vom Netz genommen wurde (auf Telegram bewirbt Michels weiter Tonträger und Merchandise-Artikel), stand dort unter „Allgemeine Geschäftsbedingungen“, dass diese „für alle Verträge, die Sie mit uns als Anbieter […] über die Internetseite www.deutsches-warenhaus.com schließen“, gelten. Genau diese in den AGB angegebene Seite führt nun allerdings zur Firma W+B Medien im thüringischen Fretterode. Michels‘ One Eight-Musik ist damit unweigerlich mit Thorsten Heise (Thüringen), auf den W+B Medien registriert ist, verbandelt. Es scheint sich hier also um ein ähnlich länderübergreifendes Verschleierungsprinzip wie bei Redeker und Budig zu handeln, nur „in die andere Richtung“. Michels und Combat 18 (C18) Beim im Juni 2023 von den RLP-Sicherheitsbehörden unterbundenen und mutmaßlich von Michels organisierten RechtsRock-Konzert in Daaden (Westerwald) waren laut Polizei etliche Kader der Brigade 12 aus Mecklenburg-Vorpommern im Publikum. Brigade 12 wiederum gilt als „M-V-Variante“ der von Heise inzwischen offiziell aufgelösten Arischen Bruderschaft. Während das Konzert in Daaden noch ein Einzelereignis ist, hat Michels auf struktureller Ebene jedoch während der vergangenen Jahre im Netzwerk des deutschen Ablegers von C18 eine kaum zu unterschätzende Rolle in Sachen Musikvertrieb eingenommen und vorrangig die Organisation der Einfuhr von im Ausland produzierten und/oder gepressten RechtsRock-CDs übernommen. Das kam spätestens 2022 im Zuge des Prozesses wegen Fortführung verbotener Blood&Honour-Strukturen am Münchner Landgericht ans behördliche Licht. Dies tat er überdies häufig genug in enger Zusammenarbeit mit dem C18-Kader Stanley Röske, und mit genau diesem sowie mit Keven Langner und Robin Schmiemann ist Michels seit Anfang April 2024 angeklagt, C18 auch nach dem Verbot 2020 fortgeführt zu haben. Schmiemann wiederum, der nach wie vor die zentrale Vertrauensperson des britischen C18-Kaders William Browning in Deutschland sein dürfte, lässt sich in den letzten Monaten auffallend häufig in RLP blicken, ab und an zusammen mit Melanie Dittmer (Berzhausen) im Westerwald, häufiger aber noch gemeinsam mit Nico „Wiesel“ Roth in der Pfalz. Roth, „Wiesel“ und Hermelin Nico Roth ist wie Michels ebenfalls ein neuer alter Bekannter im Land und erst vor gut drei Jahren wieder nach RLP in die Verbandsgemeinde Freinsheim (Weinstraße) gezogen. Unter dem Künstlernamen „Wiesel“ ist Roth ein enorm umtriebiger RechtsRock-Musiker, der neben eigenen Projekten wie Heureka, Regiment 25, Eichenlaub mit Schwertern, The Hoizers usw. vor allem bei Kategorie C spielt, im In- und Ausland auftritt und bei unzähligen RechtsRock-Projekten aus Deutschland seine Finger im Spiel hat. Obgleich der Versand auf den Namen Lisa Mik (Freinsheim) eingetragen ist, ist Roth nach außen das Gesicht des in der Nähe seines neuen Wohnorts Anfang April 2024 eröffneten Hermelin Versands. Auch Name und Logo, ein Hermelin bzw. Großwiesel, verdeutlichen, wer hinter dem Versand stehen dürfte. Der Versand vertreibt neben CDs und Merchandise-Artikeln von Roths eigenen Projekten auch „alles“ von Kategorie C. Bei der Eröffnungsfeier war dementsprechend deren Sänger Hannes Ostendorf anwesend, aber auch wieder Robin Schmiemann, der ausweislich verschiedener Posts auf TikTok zudem auf der Split-CD von Roths Projekt Heureka mit der griechischen Blood&Honour-Band Skumshot den Background-Gesang beigesteuert hat. Aktuell ist indes noch nicht abzusehen, ob hinter der engen Verbindung zwischen Kategorie C und Hermelin nicht auch eine weitere Verschleierungsstrategie im Firmengeflecht des RechtsRock-Markts steckt. Redeker, Michels, Roth: neue alte Bekannte Mit Redeker (HSN) und Michels (C18) sind die beiden wesentlichen rechtsterroristischen Netzwerke, die sich den internationalen RechtsRock-Markt traditionell untereinander aufteilen, in RLP prominent vertreten und mit Roth ist neuerdings einer der aktivsten RechtsRock-Musiker überhaupt zusätzlich „am Markt“ aktiv. Doch während Redeker traditionell versucht, in der Öffentlichkeit möglichst wenig aufzufallen, handeln Michels und Roth weit weniger diskret. So lässt Michels sich regelmäßig bei rechten Aufmärschen im Land blicken und kaschiert seine organisatorische Rolle bei Konzerten wie in Daaden oder Greimerath eher notdürftig. Roth wiederum stellt seine Präsenz in RLP auf social media regelrecht aus; dies geschieht mal offener (Selfies vor RLP-Sehenswürdigkeiten), mal verdeckter (seine Beteiligung am neuen RechtsRock-Projekt Pfalzfront) aber mit erstaunlicher Konsequenz. Alle drei wiederum sind mit überregionalen und vor allem internationalen extrem rechten Strukturen vernetzt und wirken von RLP aus in diese Netzwerke ebenso hinein, wie sie diese Strukturen ihrerseits nach RLP hineinwirken lassen. Mit ihrem Zu- bzw. Rückzug nach RLP fungieren Michels und Roth überdies nicht nur als neue alte Netzwerkknotenpunkte, sondern dürften vor allem zentrale Impulsgeber zur (Re-)Aktivierung und Modifizierung alter, teils vergessen geglaubter extrem rechter Strukturen in RLP sein. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit für und (vor allem auch) zivilgesellschaftliche Strategien gegen den RechtsRock-Markt in RLP sind also dringend geboten.

    Der Einordnung von Burschenschaften liegt oftmals deren Zugehörigkeit zu einem Dachverband zugrunde. Dabei ist die Annahme unzutreffend, dass jene, die aus der extrem rechten „Deutschen Burschenschaft“ (DB) ausgetreten sind, zu dieser auf Distanz gegangen wären. Ganz im Gegenteil gibt es eine enge Vernetzung der Burschenschaften und ihrer Mitglieder in verbandsübergreifenden Vereinen.

  • 26.04.2024

    Alexander Czepinski

    Wirkungsfelder

    Korporierte der „Deutschen Burschenschaft“ in Parteien und extrem rechtem Umfeld

    Burschenschaften verfolgten das politische Geschehen seit jeher, um Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Weltsicht zu finden. Durch gesellschaftliche Debatten um die Ausrichtung des Dachverbandes und die Veränderung der Parteienlandschaft wandelten sich die Optionen, die Korporierten der „Deutschen Burschenschaft“ offen stehen.

  • Michael Vogt (l.) und Jo Conrad auf dem Podium der "Aufbruch"-Konferenz in Alsfeld 2012
    Screenshot Youtube

    26.04.2024

    Alexander Czepinski

    Vereinzelt vernetzt

    „Reichsbürger“-Akteure aus der mittelhessischen Provinz

    In der Region Mittelhessen gibt es eine recht unübersichtliche Szenerie derer, die einer Reichsideologie folgen oder damit sympathisieren. Die meisten bleiben regional unauffällig, einzelne vernetzen sich überregional, andere werden meist erst im Zuge von Auseinandersetzungen mit Behörden oder Hausdurchsuchungen bekannt. Einige Schlaglichter auf ausgewählte Akteure.